Hirtenwort 14. März 2015

Liebe Schwestern und Brüder im Erzbistum Hamburg,

am 26. Januar hat mich Papst Franziskus zu Ihrem neuen Erzbischof ernannt. Zwischen der Ernennung und der Bischofsweihe am 14. März lagen gerade einmal acht Wochen. Wenn ich bedenke, dass ich mich vor über 20 Jahren auf meine Priesterweihe sieben lange Jahre vorbereiten konnte, ist mir jetzt ein wenig mulmig zumute.Ich werde aber meinen bischöflichen Dienst nicht anders angehen können, als seinerzeit den priesterlichen Dienst. Damals habe ich mir ein Wort aus dem Abendgebet der Kirche gewählt, das wir täglich beten und das so ähnlich im Martyrium des hl. Stephanus, meines Namenspatrons, wiederkehrt (Apg 7,59):

„Herr, auf dich vertraue ich,
in deine Hände lege ich mein Leben.“

Gottvertrauen

Mir bleibt im Moment gar nichts anderes übrig; ich bin fest überzeugt und habe es in den vergangenen Jahren immer wieder erfahren dürfen: Ich kann einem Gott vertrauen, der sich mir anvertraut. Gerade die letzten Wochen seit meiner Ernennung haben mich darin noch einmal bestärkt. Viele Menschen haben mir nicht nur gratuliert, sondern mir auch ihr Gebet zugesagt. Das Domkapitel hat mich gewählt, der Papst hat mich ernannt. All das sind Vertrauenserweise. Im Vertrauen auf Gott komme ich in das Erzbistum Hamburg. Ich fühle mich verbunden mit den vielen Christen meiner neuen Diözese, nicht zuletzt auch mit dem seligen Eduard Müller, einem der Lübecker Märtyrer, der meinen Primizspruch auf seine Art und Weise in ein Gebet umgewendet hat:

Herr, hier sind meine Hände,
lege darauf, was du willst,
nimm hinweg, was du willst.
führe mich, wohin du willst.
In allem geschehe dein Wille.

In diesem Vertrauen komme ich nach Hamburg, nach Schleswig-Holstein und Mecklenburg. In diesem Vertrauen komme ich zu Ihnen in die Gemeinden und auch zu vielen Menschen, die sich noch nicht oder nicht mehr zur Kirche gehörig fühlen.

Dank an Vorgänger

1. In diesem Vertrauen komme ich aus einem der ältesten Bistümer, von Köln, in die jüngste Diözese – und das auch noch als der derzeit jüngste deutsche Bischof. Ist die Kirche eigentlich jung oder ist sie alt? Gottlob hat das Christentum in unserem Land eine lange, großartige Geschichte, freilich auch mit manchen Schwachpunkten und Verirrungen.

So ist es für mich eine große Ehre, hier im Norden in die Fußstapfen des heiligen Ansgar, eines großen Missionsbischofs, treten zu dürfen und nach Ludwig Averkamp und Werner Thissen der dritte Erzbischof von Hamburg zu sein. Erzbischof Werner, Diözesanadministrator Ansgar Thim und den beiden Weihbischöfen Norbert Werbs und Hans-Jochen Jaschke möchte ich ganz herzlich für ihren treuen, einsatzbereiten und glaubensstarken Dienst in den vergangenen Jahren danken!

Kirche ist kein Museum!

Ich bin der festen Überzeugung: Kirche ist kein Museum, und wir sind als Christen nicht dazu da, einzig und allein die Vergangenheit zu bewahren. Die Kirche hat den Auftrag, stets in der Gegenwart zu leben. Dabei kommt sie scheinbar in die Jahre, aber entscheidend ist, dass wir Christen uns ständig verjüngen.

Ich bin dankbar für die Glaubensdynamik in jedem einzelnen Christen. Ich schaue voll Freude auf die vielen Bewegungen und Aufbrüche und manche Gemeinschaft, die im Entstehen begriffen ist, und nicht zuletzt auf die diakonischen und pastoralen Initiativen. Ich bin der festen Überzeugung, dass es der Geist Gottes ist, der die Kirche ständig jung halten kann und will und der ihr zu einem permanenten Verjüngungsprozess verhilft.

Deswegen ist es nicht bloß eine fromme Rede, sondern Wirklichkeit, wenn wir als Christen immer dem sogenannten „jüngsten Tag“ entgegengehen. Wir sind zukunftsgerichtet und voller Dynamik.

Weite Wege

2. Ich komme in die flächenmäßig größte Diözese Deutschlands. Sie umfasst Gebiete aus drei Bundesländern: Hamburg, Mecklenburg und Schleswig-Holstein. Als ich von meiner Berufung erfuhr, habe ich zuerst einmal die Landkarte ausgepackt und mir die Weite der Diözese vor Augen geführt.

Ich werde zukünftig wahrscheinlich sehr häufig unterwegs sein und viele Wege mit dem Auto oder dem Zug zurücklegen. Dabei muss ich sicher auch mit den üblichen Problemen rechnen, manchem Stau, mancher Verzögerung oder Verspätung und vielleicht hier und da einmal mit einem Unfall.

Als Christen sind wir Pilger. Wir sind ständig im Aufbruch begriffen. Christsein bedeutet nicht, sich gemütlich in den Sessel zurückzulehnen. Christsein bedeutet vielmehr, aufzubrechen in die Weite des Lebens und in die Weite der Welt. Die Größe und Weite unseres Erzbistums Hamburg führt mir die Weite des Lebens der vielen Menschen vor Augen, die hier leben.

Unser Bistum mit seiner Lage an den Küsten und mit den großen Häfen von Hamburg, Kiel und Rostock hat im wahrsten Sinne des Wortes Zugang zu der großen, weiten Welt. Die Weite des Lebens und die Größe des Menschen sind für mich etwas überaus Faszinierendes.

Ich glaube, dass jedes Leben einen weiten Horizont braucht. Ansonsten würde es sich unter Preis verkaufen wollen. Das wird auf Dauer nicht gutgehen!

Psalm 18

Die Größe und Weite unserer Diözese erinnert mich an das, was die Beter in den Psalmen sagen:

„Du führst mich hinaus ins Weite“
(Psalm 18)

Gott selbst ist schier unfassbare Größe und Weite. Er ist ein unerschöpfliches Geheimnis, an dem er uns immer mehr teilhaben lassen möchte. Wir glauben an einen Gott, der sich offenbart und auf uns Menschen zugeht. So kann, wenn wir ihn in unser Leben hereinlassen, die Weite des menschlichen Lebens von Gottes Fülle voll und ganz durchdrungen werden. Auch das hält unseren Glauben jung und macht unser Leben spannend.

3. Brücken sind in unserem Erzbistum allgegenwärtig

Von Hamburg sagt man, dass es mehr Brücken habe als Venedig. Beeindruckend ist die große Querung des Nord-Ostseekanals in Rendsburg. Und über die Brücke, die das Schweriner Schloss mit der Stadt verbindet, werde ich schon morgen gehen.

Bei einer Brücke geht es darum, dass die beiden Ufer, die voneinander getrennt sind, über-brückt und damit verbunden werden, so dass man von der einen auf die andere Seite kommen kann. Darin sehe ich eine zentrale Dimension für mich als Ihr neuer Bischof, aber auch für unsere Diözese. Vom Papst und damit auch von jedem katholischen Bischof sagen wir theologisch, dass er ein Pontifex sein soll, also ein Brückenbauer.

Als Christen können wir uns dieser großen Aufgabe widmen, weil wir an einen Gott glauben, der immer wieder solche Brücken in die Welt und zu uns Menschen gebaut hat. Das ganze Alte Testament ist davon voll und Jesus Christus ist die menschgewordene Brücke, die die Kommunikation und Verbindung zwischen Gott und Mensch in Person ist. Er schafft die Verbindung zwischen Ewigkeit und Zeit, zwischen Gott und Mensch, zwischen Jenseits und Diesseits. Wir brauchen eigentlich nur noch über diese Brücke, die Jesus Christus ist, hinüberzugehen.

Segen

Liebe Schwestern und Brüder! Im jüngsten, flächenmäßig größten und brückenreichsten Bistum will ich nun voller Freude und Hoffnung meinen Dienst als Ihr neuer Bischof vertrauensvoll beginnen. Ich tue das, indem ich Sie alle unter den Segen Gottes stelle, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Ihr neuer
Erzbischof +Stefan
Hamburg, den 14. März 2015